Da sitze ich also am Laptop und versuche über meinen gestrigen 100 km-Lauf nachzudenken. Gar nicht mal so einfach, all diese Eindrücke einigermaßen zu sortieren. Irgendwie kann ich mich noch nicht so richtig auf das Wesentliche konzentrieren, vielmehr sind es eher kleinere Dinge - Details, die mal hier, mal da in meinem Kopf aufploppen. Relativ klar ist aber schon mal, dass der Verlauf des Ultramarathons mit einigen Höhen, aber auch Tiefen verbunden war. Im Prinzip so wie im richtigen Leben auch. Und eine Erkenntnis gab es ebenfalls! Aufgeben ist irgendwie keine Option. Ja, so wie im normalen Leben auch...
Woher kommt denn überhaupt die Ambition, einen 100 Kilometer-Lauf als Hobbyläufer bestreiten zu wollen - noch dazu einfach so im Training? Das ist gewiss höchst individuell! Wenn man sich vor Augen führt, dass dies einer Strecke von zwei Marathons plus X am Stück entspricht, könnte es vielleicht sogar an Wahnsinn grenzen. Könnte wohlgemerkt! Denn diese Bewertung ist wie so oft im Leben gleichzeitig eine Frage der eigenen Perspektive und natürlich auch persönlichen Erfahrungswerte. Bei mir liegt der Ursprung sicherlich in meinen drei bisherigen 6 Stundenläufen, die mir gezeigt haben, was alles möglich sein kann. Was macht der eigene Körper nach ein paar Laufstunden noch mit? Wie teile ich mir einen solchen Ultramarathon richtig ein? Was passiert, wenn scheinbar nichts mehr geht? Alles interessante Fragestellungen! Dabei hat mich die mentale Komponente immer schon am meisten interessiert. Natürlich hat das Ganze auch etwas mit der eigenen Grenzüberschreitung zu tun, denn ein 100er kann sich vor allem auf den letzten 20 Kilometern als besonders schwierige Herausforderung herausstellen. Während es sich in einem Moment noch richtig gut anfühlt, kann es im nächsten Moment quasi komplett umschlagen. Es muss natürlich nicht so sein. Freude und Leid können bei solchen Distanzen aber recht nah beieinander liegen und manchmal wechseln sich beide Extreme auf den letzten Kilometern sogar ab. Das Beste dann aus der jeweiligen Situation zu machen, darin liegt für mich ganz klar ein besonderer Reiz!
Kurz zur Vorbereitung: Nach meinem ersten 100er im Training Anfang des Jahres, wollte ich den ersten richtigen 100 km-Wettkampf ursprünglich beim Taubertal
100 bestreiten. Nachdem dieser jedoch aufgrund von Corona abgesagt wurde, hatte ich mir den Bad Kissingen Marathon und Zeiler Waldmarathon als Alternativziele gesetzt. Doch wurden auch
diese Veranstaltungen irgendwann abgesagt. Ich trainierte dementsprechend einige Woche anders als auf einen Ultra. Dennoch hatte ich in den Monaten Juli und August aus Spaß zwei 58 km-Läufe von
Schonungen bei Schweinfurt nach Bamberg absolviert. In den Monaten davor gabs einen 50er und diverse Marathons - mal schneller, mal langsamer. Nachdem ich Mitte Oktober nochmal nach Bamberg -
diesmal waren es 57 km im 4:33 Schnitt - gelaufen bin, wurde mir klar, dass ich die 100 km in diesem Jahr nochmal angreifen möchte. Mein Ziel war es also, weitere Erfahrungen auf der 100
km-Strecke zu sammeln. Eine Zielzeit war eher sekundär!
Bei einem 100er - ob nun als Wettkampf oder wie hier als "Trainingslauf" - sind die richtigen Schuhe, Socken und Klamotten, aber auch die Brille oder Uhr - von der
passenden Verpflegung mal ganz zu schweigen - absolute Grundvoraussetzung. Idealerweise sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Natürlich ist die Auswahl dieser Dinge immer
auch eine höchst individuelle Sache, oft auch eine Frage des persönlichen Geschmacks. So hat jeder seine Lieblingsmarken, die er besonders gut findet und gerne einsetzt. Während ich bei meinem
ersten 100 Kilometer-Lauf noch viel herumexperimentiert hatte, war der richtige Schuh diesmal schnell gefunden. So hatte sich der 'Endorphin Shift' von
Saucony bereits bei meinen letzten drei Longruns von Bamberg vollkommen bewährt. Ja, es gab eine Menge guter Schuhe in diesem Jahr. Doch für mich ist der herrlich abrollende, top
gedämpfte und überaus komfortable Shift einer der besten Langstrecken-Schuhe des Jahres! Genauso bewährt hatten sich auch die hochwertigen Laufsocken von INCYLENCE, die in Sachen Komfort, Verarbeitung
und Atmungsaktivität unschlagbar sind.
Nicht weniger wichtig sind auch ordentliche Laufklamotten - also Sachen, die nicht unangenehm reiben bzw. Materialien, die sich lange Zeit gut auf der Haut anfühlen
und den Schweiß konsequent abtransportieren. So verwendete ich von CRAFT
Sportswear - es war ja recht trocken, durchaus kühl, manchmal sogar sonnig - eine lange, eng geschnittene Laufhose und den CTM-Baselayer mit genialer Stricktechnik sowie ein
Multifunktionstuch von Saucony. Ebenso hatte ich mit der 'trace pro' von evileye eine Sportbrille mit guter Belüftung dabei. Was fehlte noch? Genau, die Laufuhr! Wer einen 100er
erfolgreich absolvieren möchte, braucht unbedingt einen starken Akku. Wie beim ersten 100 Kilometer-Lauf, war ich auch diesmal mit meiner 'Forerunner 935' von GARMIN unterwegs. Ich kann ohne Einschränkungen
sagen, dass sämtliche der aufgeführten Komponenten exzellent funktionierten. Für die Bereitstellung möchte ich mich an dieser Stelle nochmal herzlich bei allen Herstellern
bedanken!
Für diesen 100er hatte ich mir die Strecke von Schonungen bei Schweinfurt Richtung Bamberg herausgesucht. Es ging also wieder durchs wunderschöne
Frankenland! Zum Großteil eine Asphaltstrecke, mit Nähe zum Main und relativ viel Natur. Folglich 50 Kilometer hin und 50 Kilometer wieder zurück. Die flache Strecke war bewusst so
gewählt, da sie einen für mich entscheidenden Vorteil beinhaltete. Hat man nämlich die Hälfte absolviert, geht es quasi nur noch nach Hause. Ja, so einfach ist das! Das klingt nicht besonders
tiefsinnig, trotzdem lässt es einen mit einem guten Gefühl die zweite Hälfte beginnen. Glücklicherweise musste ich die ganze Strecke nicht allein bestreiten. Diesmal hatte ich meine
bessere Hälfte an meiner Seite, sie war die ganze Zeit über mit dem Fahrrad vor, neben oder hinter mir und versorgte mich - wenn ich danach verlangte - mit meinen Lieblingsgels und Riegeln von Dextro Energy oder reichte mir
Wasser und am Ende Cola. Auch bei ihr möchte ich mich für ihren großartigen Einsatz bedanken - eine solche Unterstützung ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit!
Und es gab noch eine Besonderheit: Bis zur Marathonmarke lief ich zusammen mit Laufkumpel Daniel, der zugleich - eigentlich völlig unerwartet -
seinen ersten Marathon erfolgreich absolvieren konnte. Eine Wahnsinnsleistung, körperlich wie mental. Echt irre - Hut ab, Maschine! So verlief die Zeit bis zum Marathon - klar,
wenn man die ganze Zeit über quatscht - förmlich wie im Fluge. Auch die 8 km bis zum Wendepunkt waren einigermaßen locker, wenngleich sich langsam, aber sicher meine linke Wade angekündigte. Sie
zwickte immer mehr und entwickelte sich zu einem echten Störfaktor. Sie war auch der Grund, weshalb ich ab km 62 das Tempo reduzieren und gelegentlich kurze Trinkstopps einlegen
musste.
Nach dieser Phase rollte es auf einmal wieder, so dass es bis Kilometer 75 insgesamt betrachtet noch okay lief. Offenbar war ich in dieser Zeit
jedoch zu schnell unterwegs. So rollte es mit bequemen 'Endorphin Shift' hervorragend - auch die Wade fühlte sich nicht mehr so schlimm an. Doch Freude und Leid können in solchen Phasen - gerade
dann, wenn man es übertreibt - oft nah beieinander liegen. So machten beide Oberschenkel plötzlich seitlich zu und die linke Wade wurde ebenfalls immer schlechter. Vermutlich hätte man an dieser
Stelle entnervt abbrechen können, doch ich wollte einfach nicht aufgeben. Ich wusste, dass ich es schaffen würde, zumal der Lauf im Vergleich zum ersten 100er - trotz aller Probleme - immer noch
besser war. Gut möglich, dass ich im Vorfeld mehr Faszientraining via Blackroll hätte machen müssen, stattdessen setzte ich wohl zu sehr auf meine "Wunderwaffe", die Theragun. Jedenfalls begann ich nicht mehr in 5-km-Schritten zu denken, sondern Kilometer für Kilometer einzeln
abzuarbeiten. Das ist mental eine andere Kiste, gerade dann, wenn jeder Schritt schwerer wird.
Irgendwann dachte ich mir, dass ich zumindest die Sub 10 Stunden - ja, eigentlich waren mir Zeiten im Vorfeld egal - trotzdem gerne geschafft
hätte. In dieser Phase motivierte mich meine Frau immer wieder dranzubleiben, obwohl sie selbst - es wurde immer kälter - auf dem Fahrrad ziemlich leiden musste. Auf den letzten Kilometern habe
ich dann wieder gelernt, dass man als Ultraläufer natürlich auch mal kurze Gehpausen einstreuen muss, um anschließend zumindest etwas erholt weiterzulaufen. Auf den letzten 10 Kilometern ging es
dann fast nur noch darum, das Ding einigermaßen nach Hause zu bringen. Zu akzeptieren, dass nicht jeder Lauf glatt geht und dass man trotz aller Probleme an sich glaubt, nicht aufgibt
und weitermacht, das hat mich zurückblickend ungemein bestärkt. Und wenn man sich in solchen Momenten
noch dazu auf seinen Partner voll und ganz verlassen kann, wenn man also das ganze 100 Kilometer-Abenteuer - knapp zehn Stunden lang - gemeinsam durchsteht und am Ende meistert, dann hat man
vermutlich das Schönste überhaupt erlebt. Für mich steht fest: Laufen ist Leben, Laufen ist Liebe!
Und natürlich vielen herzlichen Dank für Eure absolut geniale Unterstützung auf Instagram und Facebook!